Samstag, 27. September 2008

Land und Leute von Maramures

Land und Leute von Maramures / Marmarosch
In rumänischen Touristenführern findet der Interessierte oft nur wenig detailierte Hinweise über die Maramures. Meistens wird ihm prophezeit, daß er "als Tourist" kommen, und "als Freund" die Maramures verlassen wird. Zum Glück erschien das sehr empfehlenswerte Buch von Michael Schneeberger und Frank-Michael Lange "Die rumänischen Waldkarpaten" im Schelzky und Jeep Verlag, Berlin.
Die Einwohner - fast ist man versucht zu sagen - die "Ureinwohner" sind alles andere als weltgewandte Menschen. Mit eigenen Augen hat kaum jemand fremde Länder, geschweige denn andere Kontinente geschaut. Trotzdem scheinen die Menschen, denen man übrigens auf Schritt und Tritt begegnet, schon alles über den Fremden zu wissen. Schon wer geringe Kenntnisse über Land und Leute mitbringt, wird von ihnen begeistert und außergewöhnlich gastfreundlich aufgenommen werden.
Wanderungen für jeden Schwierigkeitsgrad halten die umliegenden Berge bereit. Aus ihnen fließen ungezählte Mineralquellen, die nicht nur durstige Wanderer, sondern auch potentielle Investoren interessieren müßten. Selbst für Freunde der Alpinistik ist gesorgt, denn das Rodnagebirge beweist jährlich mit neuen, oft tödlich Verunglückten seine Wildheit. Wem das trotzdem noch nicht ausreicht, der kann sich in unberührten Höhlen verlaufen oder einen Bären jagen, bzw. sich von ihm jagen lassen!
Manchmal ist es sogar gefährlicher, an einer Zugfahrt teilzunehmen. Für Entgleisungen, sechs Tage in der Woche, sorgt das CFF-Personal der Waldeisenbahn von Oberwischau/Viseu de Sus.
Ethnographen, Geologen, Ornithologen, ja selbst Meterologen können ihren Feldforschungen nachgehen und Freunde kulinarischer Genüsse neue, deftige Gaumenfreuden entdecken. Schon nach kürzester Zeit liegen beim Besucher verschüttet geglaubte Lebensinstinkte frei. Wer dann immer noch keinen Zugang zu Land und Leuten gefunden hat, dem kann man nur wünschen, einem jener Zipser über den Weg zu laufen. Spätestens dann wird er für den Rest seines Lebens die Marmarosch nicht mehr vergessen!


Leben ist für die Menschen der Marmarosch, unabhängig ihrer jeweiligen Konfessionen oder Nationalitäten, immer auch der Kampf ums Überleben gewesen. Daran wird sich sobald nichts ändern. Bauernwirtschaft, im Stil der Einfelderwirtschaft, kann sicher Maisbrei und ab und zu ein Stück Fleisch auf den Tisch zaubern, aber zu Wohlstand ist auf diese Weise selten jemand gelangt.
Die Zipser machen da auch keine Ausnahme, jedenfalls die, die ihrer Heimat bisher treu geblieben sind.
Um diesen Zustand abzumildern, entstanden Strukturen, die sich in den Jahrzehnten gemeinschaftlicher Not herausbilden mußten. In Oberwischau mußten sich alle Volksgruppen miteinander arrangieren, ob sie nun wollten, oder nicht. Anders wäre kein Zusammenleben möglich gewesen.
Was die Menschen verbunden hat, ist der Glauben, dass Fundament ihres Lebens. Was sie gemeinsam interessiert, und zu einer Kommunikationsform spezieller Art geworden ist, ist ihr Aberglaube. Was sie alle beschäftigt, das sind ihre Bräuche, ihre aufregende Art und Weise Geschichten zu erzählen, und Feiertage zu feiern. Was sie voneinander lernen und mit Freude weitergeben, sind ihre Talente beim Präparieren der Vorräte, dem Schlachten und Schnapsbrennen. Sogar dem Tod treten sie geschlossenen entgegen.

Wenn man heute von der deutschen Minderheit Rumäniens, den sogenannten Rumäniendeutschen, spricht, so bezieht man sich meistens auf die Siebenbürger Sachsen und Banater sowie Sathmarer Schwaben. Dabei gibt es noch eine Vielzahl weiterer, zahlenmäßig kleinerer deutschsprachiger Bevölkerungsgruppen - Landler, Deutschböhmen, Steier, Batizer und die Zipser in der Marmarosch.Schon Anfang des 12. Jahrhunderts kam eine bedeutende Zahl deutscher Siedler in diese abgelegene Bergwelt. Sie gründeten Bergwerkstädte und es wird vermutet, daß schon 1143 deutsche Bergleute in Oberwischau/Viseu de Sus und Pfefferfeld/Baia Borsa angesiedelt worden sind, um den Erzbergbau in diesem Teil der Maramures zu begründen. Diese Urahnen der heutigen Zipser bezeichnet man auch als Zipser Sachsen, da auch sie, wie die Siebenbürger Sachsen als "hospites" ("Gäste" des Königs) und "saxones" (Sachsen) geschickt wurden. Die Zipser beziehen sich namentlich auf sie, obwohl sie viel später einwanderten.
Die erste Erwähnung Oberwischaus am Wasserfluß geht auf das Jahr 1362 zurück. Vierhundert Jahre später trafen erneut deutsche Einwanderer im Wischauer Land ein, sie kamen aus Deutsch-Mokra in der Karpatenukraine. Selbst die Namen dieser Holzfäller sind überliefert (Franz Pfifferling, Joseph Grenzer, Johann Reißenbichler, etc.).
Die erste große Ansiedlerwelle traf 1778 in Oberwischau ein. Es kamen 25, meist sehr kinderreiche Familien aus Gmunden. Schon 1785 folgten weitere Familien aus Bad Ischl, Ebensee und Umgebung. Die Einwanderung der eigentlichen Zipser Sachsen begann zwischen 1796 und 1798, als die Preßburger (heute Bratislava) Behörden Arbeiter aus verschiedenen Ortschaften der damaligen Oberzips - Gemeinden um Käsmark (Kezmarok), Leutschau (Levoca) und Deutschproben (Nemecke Pravno), sowie aus Pudlein und Lublin (Ostpolen) nach Oberwischau schickten.
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Marco Schulti

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