Freitag, 25. Juli 2008

Tagebuch auf der Wassertalbahn

Tagebuch eines Mitreisenden auf der Wassertalbahn


Pünktlich um 7:30 sind wir am Bahnhof in Viseu de Sus . Mit dem freundlichen Bahnhofshund teile ich mein Frühstück. Uli besorgt die Fahrkarten, studiert die Wanderkarte.
Die Bahnarbeiter trudeln ein. Gutgelaunt und in ihrer blauen, na eher schwarzen Arbeitskleidung. Dann die ersten Touristen. Hauptsächlich Schweizer ein paar Deutsche,Rumänen sowie eine rumänische Schulklasse mit Lehrer und drei Musikanten.

Die Bahnarbeiter rangieren die Loks. Hängen Wagons ab, an, um. Endlich die Cozia-1 ist bereit!

Einsteigen. Nach 200m Fahrt durch das Bahnhofsgelände der 1.Stopp. Ein Ventil ist undicht die Lok verliert zuviel Wasser! Fieberhaft wird nach einem passenden Ventil gesucht. Das dritte Teil passt. Im Schritttempo 100m dann wird Brennholz nachgeladen. Wir verlassen den Bahnhof. Neben uns das Wassertal, kleine Häuschen, Gärten, der Fluss. Strasse gibt es keine. Eine Kuh auf dem Gleis. Unbeeindruckt vom Zug räumt sie genervt das Feld. Aus dem Schülerwagon dringen mittlerweile rumänische Gesänge.

Stopp. Die Lok braucht Wasser. Die Schülerinnen nutzen die Gelegenheit und verschwinden kurz im Wald. (Hätte ich gewusst, dass der Zug so oft anhält hätte ich nicht auf meinen Frühstückskaffee verzichtet!)

Weiter. Eine Haltestelle. Ein Magazin(Laden), ein paar Häuschen. Ein kleines, altes Mütterchen, in Lumpen gehüllt, steht am Gleis und bettelt mit leiser Stimme. Geldscheine werden aus den Fenstern geworfen. Ich sehe ihr schmales, faltiges Gesicht. Ihre Füße sind mit Filz umwickelt, darüber die typisch gebundenen Gummigaloschen. Auf den Stock geschützt bückt sie sich mühsam nach den Scheinen. Vielleicht kann sie von den paar Touristenzügen ein bisschen besser leben!?

2 Schüler füllen im Magazin schnell noch ihre 1 ½L Wasserflaschen mit Bier auf! Das kann ja lustig werden. Der Zug wartet brav. Die Gesänge werden jetzt jedenfalls lauter!

Noch 2 Mal muss die Lok Wasser tanken.

Der Fluss wird wilder, das Tal romantischer. Hinter uns taucht ein 2. Zug auf! Ein Betriebsausflug der (grünen Männchen) Jäger und Förster. Wir lassen den Zug an einer Ausweiche passieren und erreichen bald darauf das Talende. Allgemeines spazieren gehen.
Die Lokomotivfans stehen mit glänzenden Augen um die Lok herum.

Die Schulklasse grillt „Mic” (fette Würstl) in einer Hütte. Einem Westler liegen sie oft 3 Tage im Magen. Isst man oft in Rumänien gewöhnt man sich dran!

Wir aber überqueren die „Wasser“, laufen den Waldweg hinauf und entdecken im Wald eine kleine Mineralquelle.

Rückfahrt und die wundersame Wandlung der Touristen. Einsteigen. Die Schulklasse singt schon wieder. Sie werden einfach nicht müde!

1 km, der Zug hält. Wir steigen aus und setzen uns ins Gras. Andere pflücken Blumen, schlafen, unterhalten sich. 30min. Dann kommt ein VW Bus auf den Schienen entgegen. Langsam geht es weiter. Vor uns jetzt ein schwer beladener Holzzug, gezogen von einer alten roten Lok. Irgendwann verschwindet auf mysteriöse Weise diese rote Lok und überlässt die, mit riesigen Buchenstämmen beladenen Wagons, sich selber. Nein, nicht ganz, 2 „Bremser“ sind noch an Bord. Dann stehen die Holzwagons?!?

Stopp. Unsere Wagen werden abgehängt. Die Cozia-1 fährt langsam los, schubst die Holzwagons sachte an. Sozusagen führerlos rollen die Wagons jetzt bergab. Unsere Wagons werden wieder angehängt. Im Schritttempo geht’s weiter. Wir fahren 10min dann steht der Zug wieder.

Jetzt steigen alle aus. Oh je, das schaut nicht gut aus. Einige Baustämme sind heruntergerutscht und haben sich vorm Tunneleingang verkeilt. Routine! Mit Motorsägen werden die Buchen in Teile zerlegt und von den Schienen gerollt. Fertig. Alle steigen ein. Es geht weiter.

15 Minuten. Erneuter Halt. Diesmal ist ein Holzwagen entgleist.

Alles kein Problem. 2 Eisenteile werden unter unseren Sitzbänken vorgezogen. Lok wird abgehängt, Holzwagon angehängt und rückwärts über die Eisenteile wieder auf die Schienen gezogen. Alltag. Fertig. Ein Musiker spielt ein kurzes Ständchen.


Weiter geht’s. Beeindruckt klettern wir in den Zug….………bis zum nächsten Halt.

Diesmal sollte es etwas länger dauern – ein kaputtes Radlager! Ein Arbeiter findet nach einiger Zeit das verlorene Teil. Aber die Reparatur dauert. Der Wagon muss samt Buchenstämmen angehoben werden!

Anscheinend ahnen alle Touristen dass es länger dauern wird!

Sie steigen aus, nehmen ihre Decken mit, packen die Brotzeit aus - teilen mit wildfremden Leuten! Sie pflücken Walderdbeeren, fotografieren, sitzen in der Sonne, reden mit unbekannten Menschen als wären es alte Bekannte!

Pärchen sitzen verträumt am Fluss. Kinder spielen. Einige Männer schauen den Arbeitern bei der Reparatur zu. Jäger und Förster betreten die Szene!( Ihr Zug steht ja wieder hinter unserem) Sie stellen Plastikflaschen am Flussufer auf und machen ein Wettschießen. Die Schüler sind ganz aus dem Häuschen!

Die Arbeiter haben es nach 50 min geschafft das Lager ist eingebaut. Der Musikant spielt wieder ein Ständchen, diesmal auf seiner Klarinette!

Und die Touristen? Keiner schimpft, keiner beschwert sich, keiner tobt, keiner meckert. Was ist mit den Deutschen und den Schweizern passiert? Statt ~6 Std. Fahrt waren es immerhin 12 Std.!!!

Was ist mit unseren Idealen? Sauberkeit, Pünktlichkeit, Ordnung etc….??

Ich gebe zu ich bin immer noch verwirrt ob dieser Gelassenheit!
Denn schon beim 2.Stopp erwartete ich Wutanfälle und Beschwerden. Aber nichts dergleichen geschah!????

ResummeNatürlich, konnten die Bahnarbeiter das Lager wieder einbauen. Natürlich gab es keine Verletzten und natürlich kamen alle wieder heil zurück von dieser erlebnisreichen und eindrucksvollen Reise!

Auf dieser Fahrt haben wir alle viel gelernt, viel erlebt und viel gesehen.
Mein Respekt gilt den fleißigen, geschickten und immer bemühten Bahnarbeitern, die alle noch so großen Probleme perfekt und routiniert und schnell meisterten!
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Und doch …. es war der rumänische Lehrer!
Der Lehrer war der einzige der sich plötzlich und völlig unerwartet, zwar kurz aber sehr heftig aufregte. Einen roten Kopf bekam und furchtbar laut brüllte, dass er wirklich nie, nie, nie mehr einen Ausflug mit dieser Bahn machen wird! Fassungslos haben ihn alle angestarrt!
Er sah unsere Blicke, verstummte, setzte sich nieder und stimmte wieder in die Gesänge seiner Schüler ein.

Dieses Tagebuch wurde mir freundlicherweise von Ingrid Roggenstroh (Kontakt = mailto:i.roggenstroh@gmail.com) Verfügung gestellt, und ich bin überzeugt, hier einen positiven Beitrag geleistet zu haben.

> wir im Westen werden uns mit der EU-Erweiterung noch an andere Formen gewöhnen müssen!

Marco Schulti

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